28. April 2025

Dienstverhinderung aus wichtigem Grund

Angestellte, Arbeiter und Lehrlinge haben einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie

  • durch wichtige persönliche Gründe
  • ohne Verschulden
  • während einer „verhältnismäßig kurzen Zeit“ (laut vorherrschender Rechtsansicht bis zu einer Woche pro Anlassfall)

an der Dienstleistung verhindert sind.

Da diese gesetzliche Regelung sehr allgemein und weitreichend formuliert ist, wird sie in der juristischen Fachsprache als Generalklausel bezeichnet.

1. Gibt es Regelungen in Kollektivverträgen?

In zahlreichen Kollektivverträgen gibt es zum Thema Dienstverhinderung aus wichtigem Grund spezielle Bestimmungen, in denen konkrete Anwendungsfälle entgeltfortzahlungspflichtiger Verhinderungsgründe aufgezählt werden. Durch derartige kollektivvertraglichen Spezialregeln wird die gesetzliche Generalklausel mit konkreten Beispielen „befüllt“ und dadurch für die Praxis leichter anwendbar gemacht.

Beachte: Aufgrund des (zugunsten der Arbeitnehmer) zwingenden Charakters des § 8 Abs 3 AngG bzw des § 1154b Abs 5 ABGB sind kollektivvertragliche Aufzählungen konkreter Verhinderungsfälle immer nur beispielhaft (demonstrativ) und nicht abschließend (taxativ) zu verstehen. Es bleibt daher jedem Arbeitnehmer unbenommen, sich im Einzelfall – gestützt auf die gesetzliche Generalklausel – auch auf nicht im Kollektivvertrag angeführte Verhinderungsfälle zu berufen.

2. Welche persönlichen Gründe gibt es?

Als wichtige Verhinderungsgründe kommen unmittelbar in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe, familiäre Angelegenheiten, faktische Hindernisse (z.B. Verkehrsstau), aber auch auf Recht, Sitte, Religion oder Herkommen beruhende Gründe (z.B. öffentliche „Bürgerpflichten“) in Betracht.

Typische Fallbeispiele möglicher Dienstverhinderungen sind:

  • Arztbesuche, die nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich sind;
  • Begleitung des Kindes zu einem dringenden Arztbesuch;
  • technische oder andere Störfälle in der eigenen Wohnung, die ein sofortiges Handeln erfordern (z.B. Wasserrohrbruch);
  • Gaszählerkommissionierung;
  • Hochzeiten (eigene Eheschließung und jene von nahen Angehörigen);
  • seltene Familienfeste (z.B. Taufe, Firmung, Sponsion der Kinder);
  • Entbindung der Partnerin;
  • Tod eines nahen Angehörigen (einschließlich der Begräbnisteilnahme);
  • dringende Behördenwege, die nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich sind;
  • Vorladung vor Gericht in nicht selbst verschuldeten Angelegenheiten (z.B. als Zeuge, Schöffe oder Geschworener);
  • Ausübung des Wahlrechts bei politischen Wahlen, wenn dies nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich ist;
  • Verkehrsstörungen, staubedingte Verspätungen, Zugverspätungen o.ä., sofern keine zumutbaren Alternativen bestehen;
  • Wohnungswechsel (Übersiedlung).

Der Arbeitnehmer ist im Regelfall verpflichtet, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine drohende Dienstverhinderung möglichst zu vermeiden. Diese mit der Treuepflicht einhergehende Obliegenheit des Arbeitnehmers ergibt sich auch deutlich aus der Gesetzesformulierung („ohne Verschulden an der Dienstleistung verhindert“).

3. Was ist unter verhältnismäßig kurze Zeit zu verstehen?

Der im Gesetz genannte Begriff „verhältnismäßig kurze Zeit“  wird  laut einhelliger Rechtsansicht im Sinne von bis zu einer Woche ausgelegt und ist pro Anlassfall zu verstehen (nicht pro Arbeits- oder Kalenderjahr).

Im Fall wiederholter Dienstverhinderungen aus demselben fortdauernden Grund sind die Dienstverhinderungen allerdings zusammenzurechnen, d.h. sie gelten als ein einheitlicher Anlassfall. Dies wird von der Rechtsprechung damit begründet, dass es der Arbeitnehmer sonst in manchen Fällen in der Hand hätte, durch kurzfristige zwischenzeitige Dienstleistungen seine Ansprüche über die gesetzliche Maximalfrist von einer Woche hinaus zu verlängern.

4. Zählt auch die Wegzeit als Dienstverhinderung?

Die mit einem wichtigen Termin (z.B. einem dringenden Arzttermin) verbundenen Wege zählen grundsätzlich zur fortzahlungspflichtigen Dienstverhinderung dazu. Im Detail ist dazu aber vieles noch rechtlich ungeklärt, da es bislang weder in der Judikatur noch in der Fachliteratur eindeutige Aussagen gibt.

Basierend auf allgemeinen arbeitsrechtlichen Überlegungen sollen nachstehende Leitlinien eine praktische Orientierungshilfe bieten:

  • Innerhalb der Arbeitszeit liegende Wegzeiten zwischen Arbeitsplatz und Arztordination sind in aller Regel als Bestandteil der Dienstverhinderung mitzuberücksichtigen. Für die Beurteilung, inwieweit Wegzeiten in die Arbeitszeit fallen, kommt es auf die konkrete Arbeitszeiteinteilung bzw. bei Gleitzeit auf die fiktive Normalarbeitszeit an.
  • In die Arbeitszeit fallende Direktfahrten zwischen Wohnung und Arzt sind hingegen nur dann als Zeit der Dienstverhinderung zu werten, wenn die Direktfahrt von betrieblicher Seite angeordnet ist oder aufgrund anderer dienstlicher Gründe erfolgt; andernfalls zählt der Weg zwischen Wohnung und Arzt als Freizeit.

5. Gibt es auch bei Gleitzeit Dienstverhinderung?

Dienstverhinderungen bei Gleitzeitmitarbeitern sind in zeitlicher Hinsicht anhand der fiktiven Normalarbeitszeit zu beurteilen. Eine fiktive Normalarbeitszeit ist zwingender Bestandteil jeder Gleitzeitvereinbarung. Die in der betrieblichen Praxis manchmal anzutreffende Ansicht, es sei für den Entgeltfortzahlungsanspruch nur auf eine allenfalls vereinbarte Kernzeit (Anwesenheitspflicht) abzustellen, wird von der Rechtsprechung explizit abgelehnt.

Der Arbeitnehmer ist auch im Fall einer Gleitzeit (ebenso wie bei fixer Arbeitszeiteinteilung) grundsätzlich verpflichtet, persönliche Verhinderungsgründe – soweit möglich und zumutbar – in die Freizeit zu verlegen (d.h. im Falle der Gleitzeit: außerhalb der Normalarbeitszeit).

6. Welche Nachweise sind zu erbringen?

Arbeitnehmer, die sich auf eine Dienstverhinderung infolge wichtiger persönlicher Gründe berufen, haben diese auf Verlangen des Arbeitgebers nachzuweisen. Welcher Nachweis hierfür in Betracht kommt, hängt naturgemäß von der Art der Verhinderung ab.

Beispiele

    • Bei einem Arzttermin, der aufgrund akuter Schmerzen oder eingeschränkter Ordinationszeiten nur während der Arbeitszeit möglich ist, kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitnehmer eine ärztliche Zeitbestätigung bringt. Verrechnet der Arzt hierfür eine Gebühr, muss der Arbeitgeber diese dem Arbeitnehmer ersetzen. Allenfalls notwendige Wegzeiten sind zusätzlich zu berücksichtigen, wobei diese i.d.R. gemäß den Angaben des Arbeitnehmers und einer Plausibilitätskontrolle des Arbeitgebers bemessen werden können. Die Berücksichtigung pauschaler Wegzeiten ist zulässig, sofern diese realistisch und mit einem gewissen zeitlichen „Sicherheitspolster“ angesetzt sind und dadurch im Durchschnitt zu keiner Benachteiligung der Arbeitnehmer führen; insbesondere darf das Recht auf freie Arztwahl nicht durch allzu kurze Pauschalzeiten unterlaufen werden.
    • Im Falle eines Wohnungswechsels (Übersiedlungstage) kann beispielsweise eine Meldebestätigung verlangt werden.
    • Bei verspätetem Erscheinen wegen einer Zugverspätung kann der Arbeitnehmer z.B. eine Bestätigung des Zugbegleiters oder ein Foto von der Bahnhof-Anzeigetafel vorlegen.

 

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