21. April 2023

Verzögerungen auf dem Weg zur Arbeit

Arbeitszeit

Nicht pünktlich bei der Arbeit?

Aufgrund zunehmender Protestaktionen von Klimaaktivsten („Festkleben“ auf Straßen etc) wird die Geduld von Arbeitnehmern, welche pünktlich zur Arbeit erscheinen wollen, auf die Probe gestellt. Es stellt sich daher die Frage, welche Auswirkungen Verspätungen  – infolge von Streiks, Staus und Co – auf den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers haben.

Verspäteter Dienstbeginn

Unterbleibt die Arbeitsleistung aus Gründen in der Sphäre des Arbeitnehmers, behält er dennoch den Entgeltanspruch für einen verhältnismäßigen kurzen Zeitraum, sofern ihn daran kein Verschulden trifft. Dass keine Arbeitsleistung erbracht wird, bedeutet daher nicht notwendigerweise, dass auch kein Entgeltanspruch gebührt. Unter einem „verhältnismäßig kurzen Zeitraum“ wird idR ein Zeitraum bis zu maximal einer Woche verstanden, dieses Element bereitet daher bei bloßen Verspätungen oder tageweisem Entfall der Arbeitsleistungen kein Problem.

Verschulden

Kritischer ist dagegen die Voraussetzung des fehlenden Verschuldens, da bereits leichte Fahrlässigkeit den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließt. Um ein Verschulden zu vermeiden, muss der Arbeitnehmer etwa absehbare Verzögerungen auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder den absehbaren (vorübergehenden) Ausfall eines üblicherweise benutzten Transportmittels einplanen. Dies können etwa übliche Bahnverspätungen oder Verkehrsbehinderungen durch Staus sein. Beispielsweise muss am Montag im städtischen Frühverkehr typischerweise mit erhöhtem Verkehrsaufkommen und in Folge mit längeren Anfahrtszeiten gerechnet werden. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer am Montag allenfalls früher aufbrechen als an anderen Arbeitstagen.

Plötzliche Verzögerungen (zB Rückstau, weil sich auf dem Arbeitsweg ein Unfall ereignet hat, an dem der Arbeitnehmer zwar nicht selbst direkt beteiligt war, aufgrund dessen er aber mit dem Antritt der Weiterfahrt zuwarten muss) begründen kein Verschulden des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss daher nicht eine Stunde früher wegfahren.

Vorhersehbarkeit

Eine wesentliche Rolle spielt auch die Vorhersehbarkeit einer Verzögerung bzw eines Ausfalls. Beispielsweise wird (bei Benützung eines Kfz) die Vorhersehbarkeit bei plötzlich eintretenden Wetterkapriolen (Starkregen, Hagel, Überflutungen, Vermurungen etc) zu verneinen sein. Auf angekündigte Wetterwarnungen wird dagegen (soweit es möglich ist) Bedacht genommen werden müssen.

Hinweis

Staus infolge von Aktivitäten (Protestaktionen) von Klima- oder Umweltschützern („Festkleben“ auf Straßen etc) sind – derzeit – ebenfalls (noch) nicht absehbar, da diese idR unregelmäßig und in unterschiedlichen Regionen stattfinden.

Im Falle von vorhersehbaren Beeinträchtigungen (vor Antritt der Reisebewegung) ist weiters der Zeitraum, der dem Arbeitnehmer für das Ergreifen von Vorkehrungen zur Verfügung steht, erheblich: Je länger dieser andauert, desto leichter ist es tendenziell, der Beeinträchtigung entgegenzuwirken (zB ein anderes Kfz für die Fahrt zum Arbeitsplatz zu organisieren, wenn das eigene Kfz reparaturbedingt vorübergehend nicht zur Verfügung steht und keine öffentlichen Verkehrsmittel zwischen Wohnort und Arbeitsort verkehren).

Alternativmaßnahmen

Der Arbeitnehmer muss alle zumutbaren Maßnahmen treffen, um trotz Hinderungsgrund rechtzeitig an den Arbeitsplatz zu gelangen, zB bei Benützung eines Kfz und Ankündigung von Demonstrationen, die zu einem konkreten Zeitpunkt an einem konkreten Ort stattfinden, eine frühere Abfahrtszeit wählen oder eine Ausweichroute nutzen, falls die Demonstrationen zeitlich und örtlich mit der Zurücklegung der Wegstrecke zum Arbeitsplatz kollidieren.

Tritt der Hinderungsfaktor erst ein, während sich der Arbeitnehmer bereits auf der Anreise zum Arbeitsplatz befindet, hat der Arbeitnehmer bereits ein bestimmtes Transportmittel gewählt und ist demzufolge in seinen Dispositionsmöglichkeiten eingeschränkter. Tritt etwa eine (betriebsbedingte) Verzögerung ein, während sich der Arbeitnehmer im Zug befindet, hängt etwa die Frage, ob ein Wechsel des Transportmittels (zB ein „Umstieg“ auf das arbeitnehmereigene Kfz) in Betracht kommt, (auch) vom Standort der Bahn bei Eintritt dieser Verzögerung (zB Bahnhofsnähe, unwegsames Gelände etc) ab.

Wahl des Transportmittels

Eine wesentliche Komponente stellt zudem die Wahl des Transportmittels dar. Legt der Arbeitnehmer den Weg zum Arbeitsplatz üblicherweise mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zurück, wird dessen Ausfall im Normalfall kein Problem darstellen, wenn als Alternative die Benützung eines Kfz oder eines anderen öffentlichen Verkehrsmittels in Betracht kommt. Bei Benützung anderer Transportmittel hängt die Frage der Substituierbarkeit dagegen wesentlich davon ab, um welche Transportmittel es sich handelt.

So wird etwa der Umstand, ob der Arbeitsweg (alternativ ausnahmsweise) auch zu Fuß zurückgelegt werden kann, nicht nur von der Länge der Wegstrecke und anderen Rahmenbedingungen (zB Lichtverhältnisse, Wetter etc), sondern auch von der Person des Arbeitnehmers (Alter, körperliche Verfassung, gesundheitlicher Status usw) abhängen. Dazu zählt auch die Frage, welche Alternativen dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, also ob dieser etwa ein Fahrrad besitzt, da sich die Zahl der in Betracht kommenden Transportmittel dadurch erhöhen kann. Soweit möglich, muss der Arbeitnehmer daher allenfalls versuchen, sich ein adäquates Transportmittel auszuleihen oder allenfalls auch zu mieten.

Relevant ist aber nicht nur die Verfügbarkeit, sondern (insbesondere bei Verwendung eines Kfz) auch, ob der Arbeitnehmer ein bestimmtes Transportmittel nutzen kann und darf. Ist diese Möglichkeit an die Innehabung einer Befugnis (etwa eines Führerscheins) gebunden, kommt eine Verwendung nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer über die entsprechende Berechtigung verfügt. Unabhängig davon ist aber zu prüfen, ob etwa eine Mitfahrgelegenheit besteht, da der Arbeitnehmer bei Fehlen einer Lenkerberechtigung von dieser Option Gebrauch machen müsste.

Ein Mangel an Können kann sich zB bei fehlender Fahrpraxis (trotz Innehabung eines Führerscheins) ergeben. Vor allem in Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer selbst kein Kfz besitzt, aber die Möglichkeit hätte, sich eines (zB von einem Nachbarn) auszuleihen, könnte dieser Aspekt eine Rolle spielen. Bei realistischem Bestehen einer erhöhten Gefahr der Fremd- und/oder Selbstgefährdung wird dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden können, von einem Transportmittel Gebrauch zu machen, das das Risiko eines derartigen Gefährdungspotenzials in sich birgt.

Kosten

Weiters spielt für die Zumutbarkeit auch der Kostenfaktor eine Rolle. Da dem Arbeitnehmer die Wahl des Transportmittels zum Arbeitsplatz freisteht, muss er auch die damit verbundenen Kosten tragen (zB ÖBB-Jahresticket, Benzinkosten, Kosten für die Instandhaltung des Kfz etc). Fällt das regelmäßig benutzte Transportmittel aus, kann die Nutzung eines alternativen Transportmittels daher mit zusätzlichen (vom Arbeitnehmer zu bestreitenden) Kosten verbunden sein. Häufig wird diesen Zusatzkosten ohnehin keine wesentliche Relevanz zukommen, zB wenn der Arbeitnehmer im Normalfall sein Kfz benutzt, dieses eine Panne erleidet und der Arbeitnehmer daher ein Tagesticket für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels löst.

Gleitzeit

Viele Arbeitnehmer unterliegen einer Gleitzeitregelung. Diese muss unter anderem Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit beinhalten, die den maßgeblichen zeitlichen Rahmen bei Arbeitsverhinderungen absteckt. Die Frage der Entgeltfortzahlung wird demnach im Falle einer Verspätung schlagend, wenn der Arbeitnehmer erst nach Beginn der fiktiven Normalarbeitszeit am Arbeitsplatz eintrifft. Ist ein „Eingleiten“ bereits vor diesem Zeitpunkt möglich, kommt dem Arbeitnehmer daher kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu, wenn er seine Tätigkeit zwar nach dem frühestmöglichen Arbeitsbeginn, aber noch vor der fiktiven Normalarbeitszeit aufnimmt. Auch auf eine etwaige Blockzeit (Kernzeit) ist dafür nicht abzustellen.

Beispiel: Für den Arbeitnehmer gilt eine Gleitzeitregelung, die einen frühestmöglichen Arbeitsbeginn ab 7 Uhr, eine fiktive Normalarbeitszeit von 8 Uhr bis 16 Uhr (inklusive Mittagspause) sowie eine Blockzeit (Anwesenheitspflicht) von 9 Uhr bis 15 Uhr (inklusive Mittagspause) vorsieht. Der Arbeitnehmer möchte die Arbeit um 7 Uhr beginnen und fährt rechtzeitig mit seinem Kfz von zu Hause weg, erreicht den Arbeitsplatz aufgrund eines unvorhersehbaren Staus aber erst um 10 Uhr. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung umfasst daher den Zeitraum von 8 Uhr bis 10 Uhr.

Ergebnis

Ob dem Arbeitnehmer bei verspätetem Arbeitsbeginn infolge von Verzögerungen auf dem Weg zur Arbeit (Staus etc) ein Entgeltanspruch für die unterbliebene Arbeitsleistung zukommt, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Wesentliche Faktoren sind dabei vor allem die Vorhersehbarkeit der Verzögerung, die Möglichkeit, die Verspätung abzuwenden (zB durch Nutzung alternativer Transportmittel) und die Frage, ob dem Arbeitnehmer dadurch erhebliche Kosten entstehen. Bei Bestehen einer Gleitzeitregelung wird die Frage der Entgeltfortzahlung bei Verspätung dann maßgeblich, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn der fiktiven Normalarbeitszeit am Arbeitsplatz eintrifft.

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