29. August 2022
Aus für Quarantäne: arbeitsrechtliche Fragen und Antworten
Mit 01.08.2022 wurde im Wege einer neuen Verordnung die verpflichtende Quarantäne für Covid-19-infizierte Personen abgeschaffen. Auch mit positivem Coronatest darf man die eigenen vier Wände verlassen, mit FFP2-Maske sogar den Arbeitsplatz aufsuchen.
Die neuen Regelungen lösen allerdings viele arbeitsrechtliche Fragen aus, welche wir anhand des nachstehenden Fragen-Antworten-Kataloges versuchen zu klären. Anzumerken ist, dass praktische Erfahrungswerte wie auch Judikatur derzeit gänzlich fehlen.
1. Was regelt die neue Verordnung?
Die verpflichtende Absonderung gemäß Epidemiegesetz wurde durch die sogenannte „Verkehrsbeschränkung“ ersetzt. Das bedeutet konkret, dass Personen mit positivem Covid-19-Test ihren Wohnbereich verlassen dürfen, sie müssen allerdings eine FFP2-Maske tragen. Lediglich im Freien fällt die Maskenpflicht weg, wenn die Einhaltung eines Mindestabstands von zwei Metern gegenüber anderen Personen gewährleistet ist. Bei Symptomfreiheit ist auch das Arbeiten am Arbeitsplatz mit FFP2-Maske zulässig.
Die neuen Regelungen haben unter anderem zur Folge, dass infizierte Arbeitnehmer im Betrieb ihre FFP2-Maske für die gesamte Zeit ihrer Anwesenheit im Betrieb nicht abnehmen dürfen und es ihnen dementsprechend in dieser Zeit streng genommen nicht erlaubt ist zu essen oder zu trinken.
Achtung!
Bestehen Symptome, ist das Erscheinen am Arbeitsplatz unzulässig und der Arbeitnehmer muss sich krankschreiben lassen. Zu diesem Zweck wird die telefonische Krankschreibung wieder eingeführt.
2. Wie werden Risikogruppen geschützt?
Die mit 30. Juni 2022 ausgelaufene Risikofreistellungsregelung wird wieder eingeführt, allerdings zeitlich befristet vom 01.08.2022 bis 31.10.2022. Ob es danach eine Verlängerung geben wird, ist aktuell noch offen.
Personen mit ärztlichem Covid-19-Risikoattest haben daher Anspruch darauf, dass der Betrieb für besonderen Schutz vor Ansteckung sorgt (z.B. Arbeiten im Homeoffice oder in einem Einzelzimmer). Andernfalls sind sie unter Fortzahlung der Bezüge vom Dienst freizustellen, wobei dem Betrieb die Entgeltfortzahlungskosten durch den Krankenversicherungsträger rückerstattet werden. Ein ärztliches COVID-19-Risikoattest ist nur bei jenen Risikopersonen zulässig, die trotz dreifacher Covid-19-Impfung dem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs unterliegen oder aus medizinischen Gründen nicht gegen Covid-19 geimpft werden können.
3. Ist ein Covid-19-positiver Arbeitnehmer verpflichtet, arbeiten zu gehen?
Wer Symptome aufweist und somit als krank bzw. arbeitsunfähig gilt, darf und muss zu Hause bleiben und sich telefonisch krankschreiben lassen. Aber auch ohne Symptome ist ein corona-positiver Mitarbeiter nicht verpflichtet, im Betrieb zur Arbeit zu erscheinen (im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber darf der Mitarbeiter im Betrieb arbeiten, muss aber eine FFP2-Maske tragen).
Abgesehen davon, dass ein Arbeitnehmer einfach behaupten könnte, Symptome zu haben (diese Behauptung ist für den Arbeitgeber kaum widerlegbar), besteht unter Umständen auch bei symptomfreier Infektion die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung. Der betreffende Arbeitnehmer befindet sich dann rechtlich gesehen ebenfalls im Krankenstand und erhält das Entgelt nach den allgemeinen Bestimmungen für Krankenstände weiterbezahlt.
Im Falle der Symptomlosigkeit ist es alternativ auch möglich, dass ein Arbeitnehmer anstelle einer Krankschreibung im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber Arbeitsleistungen (sei es im Betrieb oder im Homeoffice) erbringt.
4. Was gilt, wenn ein Arbeitgeber nicht möchte, dass ein Covid-19-positiver Arbeitnehmer zur Arbeit kommt?
Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer verpflichtet. Daher sind in Betrieben alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko von Ansteckungen für die Belegschaft so weit wie möglich zu reduzieren.
So gesehen ist der Arbeitgeber berechtigt Covid-19-infizierte Arbeitnehmer, auch wenn diese symptomfrei sind und sich nicht krankmelden möchten, zum Schutz der Arbeitskollegen vom Betrieb fernzuhalten.
Eine Alternative besteht darin, arbeitswillige symptomfreie Mitarbeiter mit deren Zustimmung im Homeoffice arbeiten lassen. Scheidet diese Möglichkeit aus (zB aufgrund des Tätigkeitsbereichs) und erklärt sich der Arbeitnehmer für die Arbeit im Betrieb leistungsbereit, ist der auf dem betrieblichen „Betretungsverbot“ bestehende Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, da es sich diesfalls um eine betriebsseitige Dienstfreistellung handelt. Der Arbeitgeber bleibt dann, ohne eine Arbeitsleistung zu erhalten, auf den Kosten der Entgeltfortzahlung „sitzen“.
5. Was ist, wenn die anderen im Betrieb tätigen Arbeitnehmer nicht mit einem Covid-19-positiven Arbeitskollegen arbeiten wollen?
Im Zweifelsfall kann man einen Arbeitnehmer nicht dazu zwingen, mit einem Covid-19-positiven Kollegen – auch wenn dieser eine Maske trägt – unmittelbar zusammen zu arbeiten.
Der Arbeitgeber hat daher alle denkmöglichen Alternativen auszuschöpfen, um geäußerten Bedenken von Mitarbeitern Rechnung zu tragen, z.B. durch Homeoffice, Trennwände oder vielleicht sogar ein eigenes „Corona-Kammerl“.
Sind derartige Maßnahmen aus organisatorischen oder arbeitstechnischen Gründen nicht möglich, muss der Arbeitgeber im äußersten Fall damit rechnen, dass um ihre Gesundheit besorgte Mitarbeiter bei vollen Bezügen der Arbeit fernbleiben.
6. Welche Auswirkungen hat der Wegfall der Quarantäne-Pflicht auf die Rückvergütung nach dem Epidemiegesetz?
Bisher war der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern, die behördlich in Quarantäne geschickt wurden, laut Epidemiegesetz zur Weiterzahlung des Entgelts verpflichtet, konnte aber im Gegenzug die Rückerstattung des Entgelts bei der Bezirksverwaltungsbehörde beantragen. Diese Bestimmung hat naturgemäß keinen gesicherten Anwendungsbereich mehr, wenn Arbeitnehmer behördlich nicht in Quarantäne verbleiben müssen, sondern sich wie bei jeder anderen Erkrankung krankschreiben lassen.
Der Arbeitgeber ist diesfalls zur Entgeltfortzahlung nach den allgemeinen Krankenstandregelungen verpflichtet, ohne einen vollen Kostenrückersatz zu erhalten.
Wie das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft ausführt, gibt es künftig dennoch so manchen Anwendungsfall für die Rückvergütung: Ist ein Betreten des Arbeitsortes nicht möglich (z.B. Schwangere, die keine FFP2-Maske tragen kann) oder kann die Arbeitsleistung mit FFP2-Maske nicht erbracht werden (z.B. Sänger, Musiker), besteht gemäß § 32 Abs. 1a Epidemiegesetz Anspruch auf Ersatz des Verdienstentgangs.
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