15. September 2021

Behinderte Arbeitnehmer – arbeitsrechtliche Besonderheiten

Für behinderte Arbeitnehmer gelten eine Reihe von Vorschriften, welche verhindern sollen, dass sie aufgrund ihrer Behinderung in der Arbeitswelt schlechter gestellt werden. Wir haben Ihnen die wichtigsten Punkte, welche Sie in der Praxis beachten sollten, kompakt zusammengefasst.

„Begünstigt behinderter Arbeitnehmer“

Zentraler Dreh- und Angelpunkt ist die Einreihung des Arbeitnehmers in den Kreis der begünstigten Behinderten. Als begünstigt behinderte Arbeitnehmer gelten gem. § 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) alle Personen, bei denen

  • der Grad der Behinderung mindestens 50 % beträgt und
  • dieser Grad der Behinderung durch einen Bescheid (meist vom Sozialministeriumservice) festgestellt ist.

Hinweis: Das Sozialministeriumservice (ehemals: Bundessozialamt) kann die Eigenschaft der begünstigten Behinderung auch rückwirkend bis zum Tag des Einlangens des Antrages des Arbeitnehmers mit Bescheid feststellen.

Weiters gelten nur Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, als begünstigt behinderte Arbeitnehmer im Sinne des BEinstG. Unionbürger, Staatsbürger eines EWR-Staates, langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige (Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“, „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“, „Daueraufenthalt – EG“ eines anderen EU-Mitgliedstaates) und in Österreich anerkannte Flüchtlinge sind dabei österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

Auch Lehrlinge, Personen, die eine Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege absolvieren, an einer Hebammenakademie oder entsprechenden Fachhockschule ausgebildet werden, oder Personen, die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen Beruf, der eine abgeschlossene Hochschulbildung erfordert, nach Abschluss der Hochschulausbildung (zB Rechtsanwaltsanwärter oÄ) beschäftigt werden, gelten als begünstigt behinderte Arbeitnehmer.

Meldepflichten des Arbeitnehmers

Nach dem BEinstG gibt es keine ausdrückliche Pflicht des Arbeitnehmers, seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter bekannt zu geben. Die Rechtsprechung bejaht jedoch eine grundsätzliche Mitteilungsobliegenheit des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber bekannt zu geben, dass er dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Schließlich hat die Behinderteneigenschaft unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses. Diese Obliegenheit ist aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers abzuleiten.

Der Arbeitgeber erfährt spätestens bei der Vorschreibung der Ausgleichstaxe, dass sich im Kreis seiner Beschäftigten ein begünstigter behinderter Arbeitnehmer befindet.

Schutz vor Diskriminierung und Zusatzurlaub

Ein begünstigter behinderter Arbeitnehmer darf nicht wegen seiner Behinderung schlechter entlohnt werden als ein nicht behinderter Arbeitnehmer.

Der Zusatzurlaub ergibt sich weder aus dem Urlaubsgesetz noch aus sonstigen gesetzlichen Bestimmungen. Ein Anspruch auf Zusatzurlaub kann sich nur aus dem Kollektivvertrag oder aus einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ergeben.

Beschäftigungspflicht/Pflichtzahl

Alle Arbeitgeber (auch der Bund, Länder und Gemeinden), die in Österreich 25 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Arbeitnehmer mindestens einen begünstigt behinderten Arbeitnehmer einzustellen. Die Anzahl der pro Betrieb einzustellenden begünstigten Behinderten wird Pflichtzahl genannt.

Hinweis: Die Zahl 25 ist nicht pro Betriebsstätte oder Niederlassung zu sehen, sondern pro Arbeitgeber im Rahmen eines Unternehmens im Bundesgebiet. Es spielt auch keine Rolle, wenn die Arbeitnehmer bei unterschiedlichen Bundesländergebietskrankenkassen angemeldet sind.

Bei der Berechnung, ob und wie viele begünstigt behinderte Arbeitnehmer zu beschäftigen sind, sind als Beschäftigte im gesamten Bundesgebiet

  • alle echten Arbeitnehmer (ausgenommen Lehrlinge), nicht aber freie Dienstnehmer,
  • Heimarbeiter
  • Personen, die zum Zweck der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen Beruf, der eine abgeschlossene Hochschulbildung erfordert, nach Abschluss der Hochschulausbildung, beschäftigt werden,

zu berücksichtigen.

Auf die so ermittelte Zahl an Arbeitnehmern sind die begünstigt behinderten Arbeitnehmer und Lehrlinge sowie Inhaber einer Amtsbescheinigung oder eines Opferausweises anzurechnen.

Hinweis: Für die Berechnung der Pflichtzahl ist der Erste eines Monats maßgebend, unabhängig von allfälligen Schwankungen im Beschäftigungsstand.

Doppelte Anrechnung

Dabei können folgende Personen mit dem Doppelten ihrer Zahl angerechnet werden:

  • blinde Arbeitnehmer;
  • begünstigt behinderte Arbeitnehmer vor Vollendung des 19. Lebensjahres und darüber hinaus, bis zur Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses;
  • begünstigte Behinderte nach Vollendung des 19. Lebensjahres bis zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses (darunter fallen insb begünstigte behinderte Lehrlinge bis zur Vollendung der Lehrzeit);
  • begünstigt behinderte Arbeitnehmer nach Vollendung des 50. Lebensjahres, wenn und solange der Grad ihrer Behinderung mindestens 70 % beträgt;
  • begünstigt behinderte Arbeitnehmer nach Vollendung des 55. Lebensjahres;
  • begünstigte behinderte Arbeitnehmer, die überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhls angewesen sind;
  • Inhaber einer Amtsbescheinigung oder eines Opferausweises, vor Vollendung des 19. und nach Vollendung des 55. Lebensjahres.

Keine Lohnnebenkosten

Bezüge, die an einen begünstigten behinderten Arbeitnehmer ausbezahlt werden, sind lohnnebenkostenbefreit: Es ist für diese Bezüge weder DB, DZ noch KommSt zu entrichten.

Besonderer Kündigungsschutz

Begünstigt Behinderte haben einen erhöhten Kündigungsschutz. Dementsprechend ist vor Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber die Zustimmung des Behindertenausschusses einzuholen.

Der erhöhte Kündigungsschutz gilt nicht

  • während der ersten 4 Jahre eines ab 01.01.2011 neu begründeten Arbeitsverhältnisses mit einem begünstigten Behinderten
  • während der ersten sechs Monate eines ab 01.01.2011 neu begründeten Arbeitsverhältnisses mit einem noch nicht begünstigten Behinderten, der während dieses Arbeitsverhältnisses begünstigter Behinderter wird (Ausnahme in beiden Punkten: Arbeitsunfall, Arbeitsplatzwechsel im Konzern)
  • bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses
  • Enden eines befristeten Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf
  • berechtigter fristloser Entlassung

Für Dienstverhältnisse, die vor dem 01.01.2011 begründet wurden, gilt die „alte“ Bestimmung, wonach nach einer Beschäftigung von sechs Monaten der besondere Kündigungsschutz zur Anwendung gelangt.

Dem besonderen Kündigungsschutz steht kein besonderer Entlassungsschutz gegenüber. Bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes kann daher auch ein begünstigter behinderter Arbeitnehmer unverzüglich entlassen werden, ohne dass vorab die Zustimmung des Behindertenausschusses eingeholt werden müsste. Im Falle einer unberechtigten Entlassung hat der begünstigter behinderte Arbeitnehmer allerdings ein Wahlrecht, ob er die unberechtigte Entlassung gegen sich gelten lassen will oder ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will. Mit dieser Regelung soll eine Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes verhindert werden.

Behindertenausgleichstaxe

Werden weniger begünstigt behinderte Arbeitnehmer beschäftigt, als es erforderlich wäre, ist eine Ausgleichstaxe zu entrichten. Der Grund, aus dem die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt wurde, ist dabei irrelevant. Die Ausgleichstaxe ist monatlich für jeden aufzunehmenden Behinderten zu zahlen, die Höhe der Taxe steigt mit der Zahl aller vom Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer.

Die monatliche Ausgleichstaxe 2021 (pro offene „Pflichtstelle“) beträgt für

Arbeitgeber mit 25 bis 99 Arbeitnehmern € 271,00
Arbeitgeber mit 100 bis 399 Arbeitnehmern € 381,00
Arbeitgeber mit 400 oder mehr Arbeitnehmern € 404,00

Die Ausgleichstaxe wird nach Ablauf von vier Wochen, gerechnet vom Eintritt der Rechtskraft des Bescheides, mit dem die Ausgleichstaxe vorgeschrieben wurde, fällig. Wird die Ausgleichstaxe nicht bis zum Fälligkeitstag eingezahlt, so sind Verzugszinsen zu entrichten.

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