27. Oktober 2020

Geschäftsführerhaftung bei Steuerstundungen in der Covid-19-Krise

Die Paragrafen 9 BAO in Verbindung mit 80 ff BAO regeln die persönliche Haftung von Vertretern von Körperschaften. Im Zusammenhang mit den aktuell stark nachgefragten Stundungsanträgen beim Finanzamt stellt sich die Frage, inwiefern Geschäftsführer mit ihrem Privatvermögen zur Haftung im Falle der späteren Uneinbringlichkeit der gestundeten Abgaben herangezogen werden können.

Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften haben gemäß § 80 Abs 1 BAO alle abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die der vertretenen Gesellschaft selbst zukommen. Sie haben im Speziellen dafür zu sorgen, dass die Abgaben der Gesellschaft rechtzeitig und vollständig entrichtet werden. Bei Stundungsanträgen hat der Geschäftsführer etwa zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Steuerstundung gemäß § 212 BAO im Zeitpunkt der Antragstellung gegeben sind: Die Bewilligung einer Stundung bedingt zum einen, dass die sofortige und volle Entrichtung der Abgaben mit einer erheblichen Härte verbunden wäre, zum anderen darf die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Zahlungsaufschub nicht gefährdet werden. Verletzt der Geschäftsführer allerdings seine abgabenrechtlichen Pflichten schuldhaft und werden gestundete Abgaben später uneinbringlich, könnte dies zum Eintritt der Geschäftsführerhaftung gem § 9 BAO iVm §§ 80 BAO führen. Entscheidend ist, ob die Einbringlichkeit der Abgaben bereits im Zeitpunkt der Antragstellung gefährdet war oder nicht:

Die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben tritt nach Antragstellung ein

Beispiel 1: Die Einbringlichkeit der Abgaben war im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Zahlungsaufschub nicht gefährdet, die Grundlage für das entsprechende Vorbringen im Stundungsantrag war eine detaillierten Finanzplanung. Aufgrund unvorhersehbarer Umstände verschlechtert sich die finanzielle Situation der Gesellschaft, sodass die Abgaben schließlich uneinbringlich werden.

Nach einem bewilligten Stundungsantrag besteht für den Geschäftsführer keine Offenlegungs- und Anzeigepflicht gegenüber der Abgabenbehörde, wenn er erkennt, dass die Einbringlichkeit der Abgaben doch gefährdet ist. Mangels Pflichtverletzung kann der Geschäftsführer nicht zur Haftung gem § 9 iVm §§ 80 BAO herangezogen werden, weil die Stundung der erst später uneinbringlich gewordenen Abgaben zu Recht in Anspruch genommen wurde. Andererseits könnte die Abgabenbehörde eine bewilligte Stundung gem § 294 BAO widerrufen, sollte sich herausstellen, dass die Einbringlichkeit der gestundeten Abgaben –etwa bei einer späteren Insolvenz – gefährdet ist. Dies stellt jedoch eine amtswegige Maßnahme dar, die nicht mit einer Anzeigepflicht des Geschäftsführers verwechselt werden darf.

Wenn die Gesellschaft nach Antragstellung zahlungsunfähig iSd § 66 IO oder überschuldet iSd § 67 BAO wird, ist der Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, zur rechtzeitigen Insolvenzeröffnung gem § 69 Abs 2 IO verpflichtet. Seit dem 2. COVID-19 Gesetz ist nun auch eine Epidemie oder Pandemie als Naturkatastrophe iSd § 69 Abs 2a IO einzuordnen, so dass sich die Frist zur Antragstellung von 60 auf 120 Tage verlängert hat. Verzögert der Geschäftsführer die Insolvenzanmeldung schuldhaft, haftet er für den sogenannten Quotenschaden, welcher sich anhand der fiktiven Quote im Zeitpunkt der Unterlassung der Insolvenzmeldung und der durch die Konkursverschleppung verringerten Quote bemisst.

Die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben liegt bereits im Zeitpunkt der Antragstellung vor.

Beispiel 2: Die Einbringlichkeit der Abgaben einer Gesellschaft wird durch die Stundung gefährdet, weil sich die finanzielle Situation der Gesellschaft nach Antragstellung verschlechtert. Ein Nachweis über die nicht bestehende Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben im Zeitpunkt der Antragstellung wie etwa eine detaillierte Finanzplanung, liegt nicht vor. Eine solche hätte ergeben, dass die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben bereits bei Antragstellung gegeben war.

Die Haftung des Geschäftsführers setzt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten voraus, leichte Fahrlässigkeit ist für das Verschulden bereits ausreichend.Wenn ein Geschäftsführer eine Steuerstundung mit der falschen Behauptung erwirkt, dass die Gefährdung der Einbringlichkeit nicht vorliegen würde und er diesen Umstand kannte (zB aufgrund einer durchgeführten Finanzplanung) oder hätte kennen müssen (zB aufgrund einer fahrlässig unterlassenen Finanzplanung, die trotz bereits eingetretenen negativen Geschäftsentwicklungen nicht vorgenommen wurde), liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs 1 BAO vor. Sollten die Abgaben uneinbringlich werden, kann der Geschäftsführer daher zur Haftung herangezogen werden.

Wie kann die Haftung vermieden werden?

Um eine Haftungsinanspruchnahme zu vermeiden, muss der Geschäftsführer konkrete und schlüssige Gründe darlegen, die der gebotenen rechtzeitigen Abgabenrichtung entgegenstanden, andernfalls wird eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen. Hierbei obliegt dem Geschäftsführer nach Ansicht des VwGH eine „qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast“. Der Steuerpflichtige hat anhand seiner Einkommens- und Vermögenslage glaubhaft zu machen, dass eine Gefährdung der Einbringlichkeit im Zeitpunkt, in dem der Stundungsantrag eingebracht wurde, nicht bestand. Neben den vorhandenen liquiden Mitteln sind dafür auch Vermögenswerte wie schnell liquidierbares Umlaufvermögen zu berücksichtigen.

Da der Zahlungszeitpunkt der Abgabenschuld mit einer Stundung hinausgeschoben wird, bedarf es insbesondere einer integrierten Planungsrechnung, damit man dem durch den VwGH geforderten Sorgfaltsmaßstab gerecht wird. Eine integrierten Finanzplanung besteht aus einer Liquiditätsplanung (Cashflow) und einer Erfolgsplanung (Gewinn- und Verlustrechnung) sowie der Darstellung der Vermögenslage (Bilanz).

Gleichbehandlungsgrundsatz

Bei Zahlungsschwierigkeiten ist der sogenannte Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten, damit der Geschäftsführer eine Haftungsinanspruchnahme vermeiden kann. Nach der „Mitteltheorie“ hat der Geschäftsführer fällige Verbindlichkeiten mit den vorhandenen Mitteln im gleichen Verhältnis zu befriedigen bzw Abgabenschulden in Relation zu den übrigen Schulden nicht schlechter zu stellen. Werden zB laufende Ausgaben wie Miete oder Strom zur Gänze bezahlt, offene Abgabenverbindlichkeiten hingegen nicht, so verletzt der Geschäftsführer den Gleichbehandlungsgrundsatz und damit seine abgabenrechtlichen Pflichten gem §§ 80 BAO.

Fazit

Leider ist davon auszugehen, dass im nächsten Jahr die Unternehmensinsolvenzen zunehmen und sich Haftungsfragen häufen werden. Der sorgfältige Geschäftsführer sollte jetzt bloß nicht den Schluss ziehen, dass „eh alles nicht so schlimm wird“. Es ist abzusehen, dass die aktuelle Großzügigkeit der Abgabenbehörden im Zusammenhang mit Stundungen aufgrund des Budgetdrucks einer konsequenten Eintreibungspolitk weichen wird.

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